Wie gelingt es, in Zeiten des Klimawandels eine stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren? Welche Technologien können wir entwickeln, um in Zukunft auf fossile Brennstoffe wie Kohle und Erdöl zu verzichten? Im aktuellen Wissenschaftsjahr der Bioökonomie stellen sich diese Fragen drängender denn je. Nicht nur die Exponate auf dem Aufstellungsschiff MS Wissenschaft, das von 14.10. – 17.10.2020 in Straubing halt gemacht hat, zeigen mögliche Lösungen für diese Probleme. In der „Region der Nachwachsenden Rohstoffe“ haben sich auch viele Wissenschaftler, Unternehmer und Landwirte dem Thema verschrieben. Ein Überblick über fünf ganz unterschiedliche Menschen aus Straubing und Umkreis, die den Wandel hin zu einer nachhaltigen biobasierten Wirtschaft mitgestalten:

Franz Reiner betreibt den baubiologischen Baustofffachmarkt Reiner Naturbau in Bärndorf bei Bogen und zeigt dort mit seinem Musterbauprojekt, wie sich moderne Ästhetik, natürliche Baustoffe, hoher Wohnkomfort und bezahlbares Bauen vereinbaren lassen. „Ich bin eher zufällig zu dem Thema gekommen. Wir wollten unser Haus baubiologisch sanieren, aber damals war das nicht so einfach. Darum hatten wir 1991 die Idee zu unserem Laden“, sagt Reiner. „Meine Motivation kam aus der Ökologie und der Baubiologie heraus. Die ökonomischen Zusammenhänge waren mir damals nicht so wichtig, aber mir wurde schnell bewusst, dass beides zusammengehört. Wenn man ökologisch baut, sind die Kosten anfangs oft ein bisschen höher, aber man muss eben auch den Betrieb und letztlich die Entsorgung betrachten und dann zahlt sich das auf jeden Fall aus – auch finanziell.“ Ganzheitlich betrachtet sieht Baustoff-Experte Reiner eigentlich keine Alternative zu Naturbaustoffen. Und er betont „Bei guter Planung kann man gute Häuser auch preisgünstig bauen. Man muss nur vorher überlegen, was einem wirklich wichtig ist. Denn natürliche Baustoffe machen an der gesamten Bausumme nur wenige Prozent aus, bringen dafür aber viele Vorteile mit sich.“ Mit seinem Musterbauprojekt hat Reiner das bewiesen und er fügt hinzu „Das Ziel müsste es eigentlich sein, dass es extra Geschäfte wie unseres gar nicht braucht, weil das was wir anbieten das Normale ist.“

Rebecca Kraus studiert Bioökonomie, einem von aktuell neun Bachelor- und Masterstudiengängen am TUM Campus Straubing. „Schon in der Schule hatte ich großes Interesse an Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Daher hat es total gepasst, als ich das Studienangebot in Straubing gefunden habe“, sagt die Bachelor-Studentin. „Ich bin überzeugt, dass eine funktionierende Wirtschaft die Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung ist“, sagt Kraus. Für die Zukunft wünscht sich die Studentin, dass das Interesse für die Bioökonomie in der Bevölkerung wächst.  „Viele Unternehmen zeigen bereits, dass biobasiertes Wirtschaften möglich, nachhaltiger und auch rentabel sein kann“, freut sich die Studentin.

Professor Volker Sieber ist Rektor am TUM Campus Straubing und leitet dort den Lehrstuhl Chemie Biogener Rohstoffe. Der Wissenschaftler beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit allen Facetten rund um die Bioökonomie. „Die Ausbeutung der begrenzten natürlichen Ressourcen unseres Planeten mit all den negativen Folgen muss beendet werden. Die Transformation der Gesellschaft in ein Zeitalter ohne Öl und fossile Energien ist daher essentiell“, sagt Prof. Sieber. Mit seinen Arbeiten will Prof. Sieber nachhaltige, biotechnologische Verfahren entwickeln, um nachwachsende Rohstoffe und Abfälle für die Herstellung von Materialien, Chemikalien und Treibstoffen nutzbar zu machen. So arbeitet Prof. Sieber gerade an einem biotechnologischen Prozess, um einen Werkstoff herzustellen, der technisch wie der Kunststoff Polypropylen eingesetzt werden kann, aber biobasiert und bioabbaubar ist.

Jasmin Simmel führt die Geschäfte bei „Füllgut“ in Straubing. In ihrem Unverpackt-Laden in der Fraunhoferstraße können Kunden unter anderem Lebensmittel ohne Verpackung kaufen und bringen  dazu ihre eigenen Behältnisse mit. „Nachhaltigkeit liegt mir besonders am Herzen, damit auch meine Kinder und danach folgende Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden“, sagt Simmel, die ihren Unverpackt-Laden Mitte 2019 in Straubing eröffnet hat. Die Betreiberin lebt das Thema Nachhaltigkeit nicht nur im Beruf, sondern auch privat – beim Kochen in ihrem Tiny House oder beim Klamottenkauf. „Ich möchte zeigen, dass wir gemeinsam etwas verändern können und dass es gar nicht schwer ist, bewusst einzukaufen und dadurch Müll und Ressourcen zu sparen“, sagt die „Füllgut“-Geschäftsführerin.

Landwirt Johann Busl aus Aholfing besitzt eine Biogasanlage, die durch die Zuführung von Maissilage nicht nur Strom produziert, sondern gemeinsam mit einer industriellen Demonstrationsanlage der LXP Group am gleichen Standort auch die Reststoffe aus der Biogasanlage verwertet. Cellulose und Lignin, die aus diesem Prozess entstehen, soll zukünftig unter anderem bei Klebstoffen und in Kosmetikartikeln Verwendung finden. Landwirt Busl kooperiert für den Betrieb seiner Biogasanlage mit dem Beratungsnetzwerk C.A.R.M.E.N. e.V. und dem Technologie- und Förderzentrum (TFZ) am KoNaRo – Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe in Straubing. „Am interessantesten war ein Dauerversuch des TFZ, der sich über zehn Jahre streckte. In diesem wurde untersucht, wie sich verschiedene Düngervarianten auf den Humusgehalt und Kleinstlebewesen in unserem Ökosystem Acker auswirken“, sagt Busl, der seit Kurzem auch erster Bürgermeister der Gemeinde Aholfing ist und dort seine Erfahrungen als „Bioökonomie-Pionier“ einsetzen kann.

Johann Busl
Landwirt Johann Busl besitzt in Aholfing eine Biogasanlage, die auch Reststoffe verwertet.
(Foto: privat)
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